Nüchtern laufen – Warum das nicht immer sinnvoll ist
Unsere Gastautorin und Ärztin Daniela Jakobler erklärt die Vor- und Nachteile beim nüchtern laufen
Zunächst ist zu unterscheiden, welche Gruppe von Läufer/innen morgens die Laufschuhe für die morgendliche Runde schnürt, um vor dem Frühstück oder vor der Arbeit sich zu bewegen, sportlich in den Tag starten möchte oder einfach nur frische Luft braucht.
Der/die ein/e oder andere ambitionierte Läufer/in findet diese 1. Trainingseinheit in ihrem Trainingsplan wieder. Hier jedoch ist zu klären, ob diese Einheit zwingend ohne vorherige Nahrungsaufnahme erfolgen muss.
Eine allgemein gültige Empfehlung zum Thema: nüchtern laufen gibt es nicht. Die Wahl des Zeitpunktes dieses Trainings und für welche Athletengruppe ein solcher Nüchternlauf sinnvoll sein kann oder nicht, möchte ich hier beleuchten.
Wichtig ist zu verstehen, dass der Effekt für ein Fettstoffwechseltraining (nicht zu verwechseln mit Fettabbau) im Verhältnis zum Risiko das Immunsystem und das Hormonsystem zusätzlich zu belasten und damit Stress auf zellulärer Ebene hervorzurufen, hoch sein kann.
GLYKOGEN
Jeder Mensch hat morgens niemals absolut leere Glykogenspeicher. Der Mythos, dass man sofort den Fettstoffwechsel ankurbelt, sobald man die ersten Schritte hinter sich gelassen hat, nur weil man vorher keine KH zu sich geführt hat, ist und bleibt nur ein Mythos. Die Glykolyse springt an und im weiteren Verlauf der Belastung (nach ca. 20 -30 min) läuft auch die Lipolyse an.
STOFFWECHSEL
Stoffwechselprozesse im Körper laufen niemals isoliert; nur mit unterschiedlicher Gewichtung. Die aktuelle Datenlage belegt, dass wenn keine KH oder Fette mehr im Körper vorhanden wären, der Körper auf die Proteine zurückgreift. Dieses gilt es absolut zu vermeiden!
NÜCHTERN LAUFEN
Der Nüchternlauf nach einer harten Einheit am Vortag sehe ich aus medizinischer Sicht eher kontraproduktiv. Wie ist das zu verstehen? An manchen Stellen lese ich immer wieder Empfehlungen, nach einer intensiven Einheit abends nur protein-/und fettreich sich zu ernähren und morgens dann bewusst mit leeren Speichern eine Nüchterneinheit zu absolvieren. Eine intensive Einheit benötigt längere Erholungsphasen und Reparaturprozesse. Wir wollen schließlich mit einer intensiveren Einheit ein höheres Leistungsniveau erreichen. Dafür braucht es Zeit, die Bereitstellung von KH, Fette und Protein und die Auffüllung des Elektrolythaushaltes. Eine Nüchterneinheit an dieser Stelle verhindert die Anpassung an ein höheres Leistungsniveau.
ENERGIEBILANZ
Nüchtern trainieren heißt Energie entziehen, dass sollte klar sein! Mit einer Nüchterneinheit möchte ggf. ein/e Athlete/in eine negative Energiebilanz erreichen. Negative Energiebilanz heißt u.a. auch, dass Reparatur-, Anpassungsprozesse und der anabole Stoffwechsel gebremst werden. Ein gutes Beispiel dafür ist als Folge die Ermüdungsfraktur als Überlastungserscheinung, wenn Reparaturprozesse nicht vollumfänglich ablaufen.
Für untergewichtige Athleten, die mit ihrem Energiehaushalt gut wirtschaften sollten, sehe ich diese Trainingseinheit aus medizinischer Sicht als sehr grenzwertig und nicht vertretbar an. Nüchtern trainieren kann darüber hinaus zu einer Unterzuckerung führen
Aktivierungslauf
Als lockerer Aktivierungslauf bis 45 min sinnvoll im Trainingsplan eingesetzt, gibt es aus medizinischer Sicht keine Bedenken. Die Betonung liegt hier auf locker, begrenzt und sinnvoll im Trainingsplan eingefügt.
Daniela Jakobler
Fachärztin für Anästhesiologie/ Notärztin
Sporttherapeutin
Wirtschaftswissenschaftlerin
ist leidenschaftliche Triathletin und hat 2020 den Ironman China als beste Frau (Amateure) gewonnen. Damit hat sie sich für die Weltmeisterschaft 2021 in Kona qualifiziert.
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